Unvorstellbar!?!

19 km

Mal angenommen, Du hättest ein paar Tage frei.
Genau genommen bräucht’s der Tage nur 3.
Du würdest in Ravensburg morgens beginnen
und bis nach Lindau im Bodensee schwimmen.

19 km

900 km

Dort angekommen packt Dich die Ostsee-Lust,
und da Du dafür nach Norden musst,
schwingst Dich auf’s Radl und trittst or’ndlich rein,
willst tags drauf ja schon auf Rügen sein.

211 km

Und wenn dort, jetzt nur mal ganz hypothetisch,
Dich ein Notruf ereilt und sie bräuchten Dich,
in Berlin und das schon am nächsten Tage,
ja mei, läufst halt hin, ist doch gar keine Frage!

211 km

5-facher Ultratriathlon

Bericht im Kreisboten

MAREILE

HERTEL

41 Jahre alt, als Postbotin ins Berufsleben gestartet, schreibt sie heute an ihrer Doktorarbeit. Weltrekordhalterin im 3-fachen und seit Anfang Juli 2024 auch im 5-fachen Ultra-Triathlon. Mareile war bis Juni 2023 Leiterin des Tiefbauamts unserer Stadt und lebt mit ihrer Partnerin in Marktoberdorf.
Wir wollen unbedingt wissen, wie sie das alles macht?!

[Text (oben) und Interview: Robert Herbst]

— Mareile, Du bist in Nürnberg geboren und im «Sportmekka» Roth aufgewachsen, weltweit bekannt für seine Ironman -Wettkämpfe. Glaubst Du, Du wärst auch in einem anderen Umfeld eine Ausnahmesportlerin geworden?

Das ist eine sehr hypothetische Frage und daher schwer realistisch zu beantworten. Zweifelsohne übt das Umfeld immer einen großen Einfluss auf die Person aus, die sich darin befindet. Daher hat mir meine Kindheitsumgebung schon früh ein Bewusstsein dafür gegeben, dass es «Triathlon überhaupt gibt» und dass dies eine Möglichkeit ist, Sport zu betreiben — vielleicht später auch mal für mich.

Schon als Kind fuhr ich mit dem Fahrrad «überall hin», wo ich hin wollte — Distanzen spielten für mich dabei nie eine Rolle. Später wurde mir im Vergleich zu Freunden bewusst, dass dies nicht für alle so leicht ist, und ich offenbar in diesem Bereich talentiert bin.

Ich glaube, man muss in sich und das Leben Vertrauen haben
und sich manchmal ein wenig davon treiben lassen.

Daher gehe ich davon aus, dass ich auch ohne den Einfluss des Sportmekkas Roth zu meinem Sport gefunden hätte, da es «einfach in mir steckt».

Sportangebote gab es sicher viele in meiner Region, aufgrund unzureichender finanzieller Mittel waren diese für mich aber oft nicht erschwinglich. Dadurch habe ich immer schon viel draußen in der Natur trainiert — aus meiner Sicht eines der besten «Fitnessstudios» überhaupt.

Aber, ich hatte in meinem Bekanntenkreis eine Handvoll sehr guter, erfahrener Sportler, mit denen ich ab und an trainieren konnte, zu denen ich aufschaute und die mich wissentlich an ihrer Erfahrung teilhaben ließen. Letzteres ist absolut unbezahlbar und dafür bin ich bis heute dankbar.

Vorbilder oder auch positive (Lebens-) Weggefährten zu haben erachte ich als überaus wertvoll — im besten Fall für beide Seiten.

—Du bist volljährig direkt von zu Hause ausgezogen, hast als Postbotin und Kellnerin gejobbt und bist mit einer Ausbildung ins Berufsleben gestartet. Zur Zeit machst Du Deinen Doktor. Wie führt das eine zum anderen? Welche Lehren würdest Du besonders jüngeren Menschen mitgeben?

Mein Leben folgt keinem Plan — im Gegensatz zu meinem Training.

Ich glaube, man muss in sich und das Leben Vertrauen haben und sich manchmal ein wenig davon treiben lassen. Auf dem Lebensweg gibt es immer wieder Türen und jeder muss selbst entscheiden, ob man hindurchgeht oder nicht, auch wenn man manchmal nicht weiß, was auf der anderen Seite ist oder wie sich die eigene Zukunft durch diese Entscheidung verändert.

 Wenn man einen Weg gewählt hat, sollte man diesen – zumindest bis zur nächsten Weggabelung – zielstrebig gehen, auch wenn er Hochs und Tiefs hat. Es ist wichtig, etwas erfolgreich zu Ende zu bringen, das stärkt den Selbstwert. Nach jeder «Etappe des Lebens» hat man wieder neue Aussichten vor sich und kann erneut entscheiden, in welche Richtung man weiter geht.

Man muss sich bewusst werden, dass man selbst aktiv sein sollte, um sein Leben zu gestalten. Sonst entscheiden andere für dich, das ist dann aber vielleicht nicht dein Weg und Leben. Die Richtung im Lebensweg ist nicht immer so wichtig, sie kann auch mal vermeintlich zurückgehen.

Doch auch wenn man «zurückgeht », sieht die Welt anders aus und man macht neue Erfahrungen und Begegnungen. Ich war mir in meinem Leben immer selbst treu, was sicher manchmal andere Menschen vor den Kopf gestoßen hat. Ich aber kann zu jedem Zeitpunkt ohne Bauchschmerzen in den Spiegel sehen. Für mich ist es besonders wichtig, dass man alles, was man tut, mit Freude und Leidenschaft macht. Wenn diese beiden Elemente vorhanden sind, ist man unabhängig von der Tätigkeit stets erfolgreich.

— Du bist früh von zu Hause ausgezogen und hast Deinen ganz eigenen Weg eingeschlagen. Woher kommt Dein starker «Wachstumswille»?

 Durch das frühe Ausziehen habe ich gelernt, dass man sich selbst um sich und sein Leben kümmern muss. Ich hatte keine (finanzielle) Rückfallebene wie vielleicht andere bei ihren Großeltern oder Familie. Ich denke, dieser Umstand war Fluch und Segen zugleich für meinen Werdegang. Ich entwickelte dadurch Kampfgeist und Selbstbewusstsein. Dieses erlaubt mir eben genau die freien Entscheidungen in meinem Leben zu treffen. Und ich weiß, auf mich und meine Stärken kann ich immer bauen.

Es gibt für mich nichts Schöneres im Leben, als frei und unabhängig zu sein! Ein Zustand, der für jede und jede nerstrebenswert ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass man allein durchs Leben gehen soll – ganz im Gegenteil: es gibt sehr viele bereichernde Menschen. Aber eben auch solche, die einen in der eigenen Entwicklung oder auf dem persönlichen Weg aufhalten. Von diesen sollte man sich trennen und sich die Freiheit nehmen, aktiv zu entscheiden, mit wem man sich umgeben möchte.

— Nach vielen Stationen in Deinem Leben scheinst Du in Marktoberdorf angekommen zu sein, was macht die Stadt für Dich besonders?

Marktoberdorf bietet alles, um ein glückliches Leben zu führen: gute Infrastruktur, die Nähe zu den Alpen (aber nicht zu touristisch) und auch zu Großstädten und Metropolregionen. Marktoberdorf ist Stadt und Dorf zugleich: Man kennt sich, nimmt sich gegenseitig wahr, grüßt sich. Es ist noch so anonym, dass man einfach man selbst sein kann, aber eben auch so vertraut, dass es interessiert, wenn was los ist – im positiven wie im negativen Sinne. Ich habe hier echte Freunde gefunden – was immer ein wichtiger Punkt ist, um irgendwo anzukommen und bleiben zu wollen.

Durch meine vorherige Tätigkeit bei der Stadt Marktoberdorf (Leiterin des Tiefbauamts) habe ich zudem die Stadt in Teilen selbst mitgeprägt und gestaltet — auch das gibt Verbundenheit.

— Nach vielen Stationen in Deinem Leben scheinst Du in Marktoberdorf angekommen zu sein, was macht die Stadt für Dich besonders?

Wenn ich könnte, würde ich die «Innenstadt» rund um den Marktplatz (Teile der Michelbeckstraße und der Eberle-Kögel- Straße) gerne autofrei machen. In Marktoberdorf dominiert noch immer das Auto das Stadtbild – man kann überall bis zur Tür fahren. Das würde ich ändern und mehr «freie (Spiel-) Flächen für Fuß- und Radverkehr schaffen. Die Bahnhofstraße würde ich so belassen. Die Straßen um den Marktplatz ab der Rauhkreuzung würde ich für den Autoverkehr «sperren» – auch keine Einbahnstraße, maximal Anrainerverkehr. Und ein Freibad würde ich noch bauen.

— Es gibt Menschen, die raten einem, auf ein Sicherheitsnetz oder einen Plan B zu verzichten, damit man sich ganz und gar auf den Weg nach vorne und das Lösen der Herausforderungen fokussiert. Wäre das auch Dein Rat ? Hast Du ein Lebensmotto?

Ich bin überhaupt kein risikofreudiger Mensch und habe immer ein gewisses «Sicherheitsnetz» oder zumindest immer einen Plan A, B, C…

Ein wirkliches Lebensmotto habe ich auch nicht, außer vielleicht «Sei du selbst!»

Disziplin kommt von Zielstrebigkeit und für Zielstrebigkeit braucht man ein Ziel. Ein Ziel ist ein Motiv und hat man ein Motiv, ist man motiviert.

— Deine Projekte und Erfolge zeigen, dass Disziplin mindestens 51% Deines Erfolgs ausmacht. Hast Du eine Technik oder Strategie, wie man als «normaler Mensch» diese Disziplin stärken kann?

 Disziplin kommt von Zielstrebigkeit und für Zielstrebigkeit braucht man ein Ziel. Ein Ziel ist ein Motiv und hat man ein Motiv, ist man motiviert. Ergo: Es ist immer wichtig, sich ein Ziel zu setzen und sich im Vorfeld darber klar zu werden, warum man etwas tun will.

Wenn das klar ist, ist die Disziplin ein positives Nebenprodukt auf dem Weg zur Zielerreichung.

— Du hast in einem Interview beschrieben, dass bei Kilometer 460 und mehreren Tagen Laufen ohne Pause auch bei Dir die Frage nach der Sinnhaftigkeit aufkam. Gleichzeitig ist das Raceacross- America (ca. 5.000 km mit dem Fahrrad) seit langem Dein Ziel. Wie findest Du diese Ziele für Dich und was ist für Dich «Quatsch»? Ist es die Option auf den Weltrekord, die Dich motiviert?

 Ich würde nie über Ziele anderer urteilen. Das ist doch eben das Schöne an uns Menschen, dass wir divers sind und jeder andere Ziele (im Leben) verfolgt, das macht doch die Vielfalt aus. Wäre ja schlimm, jede(r) hätte meine Ziele — viel zu viel Konkurrenz! Ich habe entschieden, dass für mich Laufdistanzen jenseits der 300 km nicht zielführend sind, da ich weder das Tempo besonders hochhalten kann, noch neue körperliche oder geistige Erfahrungen mache. Es ging damals in eine Art «Routine» über, bei der für mich die Gleichung Input zu Output kein positives Ergebnis mehr ergab.

 Ultracycling ist etwas anders als Ultralaufen, da die körperliche Belastung dabei geringer ist und das Tempo länger hochgehalten werden kann.

 Das ist es auch, was für mich den Reiz an meinen sportlichen Vorhaben stellt: Wie lange bin ich in der Lage (ohne Schlaf) das Tempo hochzuhalten, so dass es eine sportliche Höchstleistung ist und nicht nur «ankommen».

 Auch hier sind Rekorde wieder positive Nebenprodukte – wichtiger ist mir immer, mein persönliches Zeitziel zu schaffen.

7 Fragen

u
Was ist Dein absoluter Lieblingsort in unserer Stadt?

Buchel.

u
Welches ist Dein bevorzugtes Restaurant oder Café hier und warum?

Torino- nettes kleines lässiges Café mit gutem Kaffee und/oder Wein.

u
Gibt es einen besonderen Ort in der Stadt, der eine wichtige Bedeutung für Dich hat?

Lindenallee — die alten Bäume geben immer Kraft.

u
Welche Veranstaltungen in der Stadt besuchst Du am liebsten?

Sternenbummel.

u
Gibt es einen versteckten Ort oder Geheimtipp in der Stadt, den nur wenige kennen?

Wenn ich den verrate, ist er ja nicht mehr geheim 🙂

u
Welche Aktivitäten oder Freizeitmöglichkeiten genießt Du in unserer Stadt am meisten?

Von der Haustüre raus und loslaufen oder  radeln mit schönem Panorama.

u
Was gefällt Dir am besten an der Architektur oder dem Stadtbild?

Das Schloss, welches schon von weitem zu sehen ist.

Ihr wollt mehr erfahren über Mareile?

Klick HIER für ihre Webseite.

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